was ist mindful hoofcare?
was ist mindful hoofcare?

was ist mindful hoofcare?

meine leidenschaft für die barhufpflege begann mit einem pferd, einem buch und einer hufraspel. das pferd stand eines tages einfach vor mir, wild, jung, stark und mit hufen wie frühstückstellern. ich kaufte das pferd. das buch und die raspel kaufte ich mir kurze zeit darauf. denn schon nach dem ersten besuch eines professionellen hufbearbeiters wurde mir klar: für dieses pferd musste ich selbst zur hufpflegerin werden.

heute kenne ich viele pferdebesitzer und eselfans, die vor einer ähnlichen problematik stehen wie ich damals. ihre tiere gelten als „schwierig“, „respektlos“ und „schlecht erzogen“, die termine mit barhufpflegern, hufschmieden und huforthopäden sind eine allmonatliche qual. reihenweise ungebetene erziehungsratschläge, ein unnötig grober umgang, schläge, knüffe, tritte, gebrüll und am ende geht das pferd auch noch fühlig nach der bearbeitung und der hufprofi konstatiert „das ist ganz normal“ oder „der muss halt beschlagen werden“.

ich komme dann zum termin mit den angeblich „aggressiven“ ponies, „unkooperativen“ pferden und „wild um sich tretenden“ eselchen und treffe auf liebenswerte vierbeiner mit ihren ganz alltäglichen sorgen und nöten: chronische rehehufe, verbogene hufwände, zu dünn ausgeschnittene sohlen, verspannungen in der schulter, steife hüften, arthrosen, stress. sie alle haben einfach schmerzen, blockaden oder angst vor einer zu invasiven bearbeitung. sie brauchen geduld, respekt und viele kleine pausen, können nicht so lange auf drei beinen stehen, wollen sich versichern, dass mensch es wirklich gut mit ihnen meint.

wir alle wissen: wenn uns etwas schwer fällt, weil wir es nicht verstehen, angst oder schmerzen oder schlechte erfahrungen haben, dann ist das letzte, was uns dabei hilft, dass uns jemand anbrüllt oder schlägt. stellen wir uns vor: wir müssen mal wieder zum zahnarzt. die letzten drei behandlungen waren bereits unangenehm bis schmerzhaft. wir gehen nicht gern hin, am liebsten möchten wir den kopf in den sand stecken und vergessen, dass wir zähne haben. aber wir haben zahnschmerzen und brauchen hilfe.

stellen wir uns weiter vor: wir überwinden uns und gehen zum zahnarzt, wir setzen uns auf den stuhl. der zahnarzt kommt hereingepoltert wie eine dampfwalze, er holt sofort den allergrößten bohrer raus und fuchtelt damit vor unserem gesicht rum. panisch reißen wir die augen auf, kneifen den mund zu und weichen instinktiv zurück. der zahnarzt packt uns am schlawittchen, zerrt an uns herum und brüllt uns an, gefälligst sofort den mund aufzumachen. wir sind wie erstarrt vor schreck und das geht ihm alles nicht schnell genug, er haut uns eine runter, ruft einen kräftigen arzthelfer und zwingt uns zu einer äußerst unangenehmen behandlung. hinterher tut uns alles weh, wir fühlen uns schrecklich und zum abschied klatscht uns der zahnarzt noch eine auf den hintern und sagt „ganz schön frech das aas, dem muss mal einer zeigen, wo’s langgeht“.

keine schöne vorstellung? warum sollten wir eine solche behandlung dann irgendjemandem zumuten, egal ob mensch oder tier? es ist nicht nur unfair, es ist auch einfach sinnlos. die qualität jeder behandlung leidet enorm, wenn der patient sie nicht zulassen kann. man muss nur mal versuchen, einem wiederspenstigen kind die fußnägel zu schneiden, um zu wissen, dass das ergebnis eines solchen kampfes niemals zufriedenstellend sein kann.

für eine gute hufpflege braucht man eine ruhige, entspannte, vertrauensvolle atmosphäre. je mehr sich das tier der behandlung hingibt, desto mehr wird sie zu einem echten wohlfühlmoment. und eins ist mal klar: equiden verstehen sehr genau, was gegenseitige körperpflege ist. in der herde beknabbern sie sich täglich gegenseitig und mit dem größten vergnügen. vielleicht nicht an den hufen, aber mit ein bisschen übung gewöhnen sie sich ganz schnell daran, dass wir lustigen kleinen primaten mit unseren geschickten langfingrigen händen die körperpflege eben seeeehr genau nehmen. und das finden sie toll!

niemand kann wie wir primaten so voller inbrunst stundenlang zecken absammeln, wunden verarzten, splitter entfernen, bremsenstiche kühlen, haare entfilzen, massieren, kratzen, reinigen und ja auch hufe pflegen. unsere haustiere lieben uns dafür, denn in dieser speziellen hinsicht können wir ihnen tatsächlich etwas bieten, was sie in der freien wildbahn nicht hätten. wildtiere sind übersät mit flöhen, zecken, stichen und bissen. wenn sie sich verletzen, kommt niemand mit desinfektionsmittel und verbandskasten angerannt. oft ist eine entzündung oder verletzung tödlich.

mindful hoofcare bedeutet also zweierlei: einerseits das pferd, pony oder eselchen bei der hufbearbeitung mit ebensoviel geduld, respekt und offenheit zu behandeln, wie wir es auch von einem guten zahnarzt erwarten würden. und andererseits, sich auf seine wirklichen qualitäten als primat im umgang mit einem equiden zu besinnen: unsere freude an der körperpflege und sozialpflege. wir pflegen die hufe unserer vierbeiner, weil wir so unsere liebe zu ihnen ausdrücken. weil wir gern an ihnen herumfummeln. weil es uns mit freude erfüllt, ihre körper in gesundem und gut gepflegtem zustand zu sehen.

wenn wir mit dieser einstellung einen huf aufnehmen und dem tier die zeit und ruhe lassen, unsere einstellung zu erspüren und vertrauen zu fassen, und wenn wir dann eine sinnvolle nicht-invasive hufbearbeitung vornehmen, sodass das tier hinterher eine verbesserung seiner hufsituation spürt – dann wird hufpflege zur sozialpflege, zur freundschaftlichen routine, zum gespräch darüber, was sich gut anfühlt und was fürs langfristige wohlbefinden nötig ist.

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