Barhuf oder Beschlag?
Barhuf oder Beschlag?

Barhuf oder Beschlag?

laut §3 unseres Tierschutzgesetzes (Absatz 1a) ist es:

„verboten, […] einem Tier, an dem Eingriffe und Behandlungen vorgenommen worden sind, die einen leistungsmindernden körperlichen Zustand verdecken, Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines körperlichen Zustandes nicht gewachsen ist.“

Was sind die häufigsten Gründe, warum Pferde in unserer Kultur beschlagen werden?

„Wenn ich mein Pferd nicht beschlage, läuft es fühlig und klamm, es lahmt auf Kieswegen und ich kann es nicht auf allen Untergründen reiten.“

„Ich habe versucht, mein Pferd auf barhuf umzustellen, aber es konnte auf Asphalt, Steinen und Schotter kaum laufen, auch nach vier Wochen konnte ich noch nicht wieder normal ausreiten, daher lasse ich es jetzt wieder beschlagen, damit ich mit ihm arbeiten kann.“

„Mein Pferd wurde schon immer beschlagen, ohne Beschlag würde es sich vor der Kutsche die Hufe komplett ablaufen.“

„Mein Pferd hat chronische Rehe, ohne Beschlag kann ich es nicht reiten.“

„Die Hufe meines Pferdes sind von sehr schlechter Qualität, der Beschlag ist die einzige Möglichkeit, damit es leistungsfähig bleibt.“

Merkst Du was?

Die meisten Pferde werden beschlagen, damit wir ihnen Leistungen abverlangen können, zu denen sie körperlich eigentlich nicht in der Lage sind. Der Beschlag verdeckt den wahren körperlichen Zustand des Pferdes. Genau dafür wurde der Beschlag erfunden. Damit Pferde im Krieg, in der Industrie und im Straßenverkehr als Reit- und Zugtiere maximal genutzt werden konnten. Tagelange Gewaltritte zum nächsten Gefecht, die tägliche Arbeit vor der Droschke, Postkutsche, Straßenbahn oder in der Mine, im Tagebau, etc. Damit Pferde diese enormen Belastungen irgendwie aushalten konnten, wurden sie beschlagen. Denn sie sind zäh wie Leder und ertragen unglaubliche Strapazen, nur ihre Hufe sind einfach nicht dafür geschaffen, den ganzen Tag Menschen und Güter über Asphalt und Schotter zu tragen und zu ziehen.

Doch die Zeiten, als Kriege, Industrie und Infrastruktur noch komplett auf dem Rücken der Pferde lasteten, sind eigentlich vorbei. Heute haben wir ein Tierschutzgesetz, das es uns verbietet, Eingriffe und Behandlungen an Tieren vorzunehmen, um sie besser „benutzen“ zu können. Den meisten Menschen ist das aber nicht klar. Und ich weiß, dass ich mir nicht nur Freunde mache, wenn ich darauf hinweise: Beschlag zur besseren Nutzbarkeit durch den Menschen ist laut Tierschutzgesetz schlichtweg verboten.

Du möchtest unbedingt mit Deinem Pferd über alle Untergründe reiten und es dafür beschlagen lassen? verboten.

Du möchtest regelmäßig lange Kutschfahrten auf allen Untergründen machen und Dein Pferd dafür beschlagen lassen? verboten.

Für den Wanderritt? verboten.

Fürs Wanderfahren? verboten.

Du möchtest mit Deinem Pferd arbeiten, auch wenn es an Hufrehe leidet oder sich noch nicht vollständig davon erholt hat, und lässt dafür einen „Rehe-Beschlag“ anbringen? verboten.

Dein Pferd war schon immer beschlagen und Du möchtest das so lassen, damit Du mit ihm weiterarbeiten kannst wie immer und Deine Ansprüche nicht senken musst? verboten.

Wenn Dein Pferd etwas, das Du Dir wünschst, ohne Eisen nicht leisten kann, dann darfst Du es nicht beschlagen lassen, damit es Deinen Wunsch erfüllt. Das Pferd ist nicht dafür auf der Welt, um alle unsere Wünsche zu erfüllen. Und dafür gibt es ein Tierschutzgesetz.

Eigentlich ist es ganz simpel: Der einzige zulässige Grund, ein Pferd zu beschlagen, ist, wenn der Beschlag die letzte Lösung ist, damit das Pferd überhaupt laufen kann, vom Heu zur Tränke zum Schlafplatz zur Weide und zurück. Es gibt solche Pferde, deren Hufe durch Unfälle, Krankheiten oder menschliche Einwirkung so katastrophal verformt und degeneriert sind, dass man sie für einen halbwegs schmerzfreien Lebensabend beschlägt und mit Medikamenten begleitet. Ich hoffe niemand käme auf den Gedanken ein solches Pferd dann noch zu reiten, zu fahren, zu longieren oder sonstwie zu „arbeiten“.

Eine tolle Alternative für Pferde mit sensiblen Sohlen sind Hufschuhe, sie bieten alles, was Beschlag nicht kann:
– Sie sind kein körperlicher Eingriff sondern Schutzausrüstung.
– Sie schränken den Hufmechanismus und das natürliche Hufwachstum nicht ein.
– Sie wirken stoßdämpfend und gelenkschonend.
– Sie können jederzeit ohne viel Aufwand an- und ausgezogen werden.
– Sie können unterwegs mitgeführt und nur bei Bedarf angelegt werden.
– Sie können mit Pads, Einlagen, Kühlpackungen und anderen Hilfsmitteln kombiniert werden.
Natürlich muss man ein bisschen rumprobieren, bevor man die richtigen Schuhe gefunden hat. Aber das lohnt sich.

Was sich definitiv auch immer lohnt, ist der Versuch einer Umstellung von Beschlag auf Barhuf. Eine solche Umstellung braucht ZEIT. Je schlechter die Hufsituation zu Beginn, desto länger dauert es. War ein Pferd 20 Jahre lang beschlagen, darf man nicht erwarten, dass es nach einem Monat fröhlich über Schotter trabt. Ohnehin sollte man nicht erwarten, dass sich absolut nichts ändert und alles wieder genau so wird wie vorher nur ohne Eisen. Auch das gesündeste Barhufpferd läuft vorsichtig über spitze Steine, vor allem, wenn es zusätzliches Gewicht trägt oder zieht.

Der natürliche Huf ist ein sensibles Tastorgan, das dem Pferd wichtige Informationen über die Beschaffenheit des Bodens liefert. Ein beschlagener Huf kann nicht tasten, er ist quasi gefühllos. Schon allein die Unmenge an neuen Informationen aus dem nackten Huf kann für ein Pferd in der Umstellung also herausfordernd sein. Eine schöne Möglichkeit, diese Umstellung zu begleiten, ist, mit dem Pferd zusammen barfuß spazieren zu gehen. So bekommt man ein sehr gutes Gefühl dafür, warum es Geduld und Zeit braucht. Gern begleite ich Umstellungen von Beschlag auf Barhuf von der Eisenabnahme, über die Reha bis zum gesunden Barhuf.


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